1997 brachte die Post einen ungewöhnlichen Brief zu Edeltraut und Ernst-August Ahlborn in der Wintermoorer Straße. Adressiert war er an
Dorf Wintermore Post Schnefedink Kreis Soltau Yanover Deutschland ...Dora... August Alborn
Abgesendet wurde er in der Ukraine von Leon Miskowez (Muskewez, pln. Muskiewiez).
Leon war ein starker Mann, der aber nur vier Jahre zur Schule ging. Er lernte als Zimmermann und arbeitete später in einer Kolchose. 1943 geriet er in deutsche Kriegsgefangenschaft und war in Dänemark festgesetzt, bevor er nach Wintermoor gebracht wurde. Er war also ein polnischer Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft auf dem Ahlborn-Hof. Er half gut mit und wurde auch gut aufgenommen. Zwar durfte man nicht mit „Ostarbeitern“ zusammen Mahlzeiten einnehmen etc, jedoch schaute die Obrigkeit ja nicht in die Stube…
Während seiner Zeit in Wintermoor lernte er Paulina kennen, die als Hausmädchen bei Otto „Otschen“ Röhrs (Heuweg, neben Manke) verpflichtet war. Die Beiden verliebten sich und kehrten als Paar zurück in Leons Heimat. Untereinander sprachen sie deutsch und träumten sogar auf Deutsch.
Nach dem Krieg blieben sie noch eine kurze Weile in Wintermoor. Ernst-August erinnert sich, wie Leon nach dem Krieg auf dem Kutschbock saß und so problemlos bei den Engländern vorbei konnte, da er ja nicht der (deutsche) Feind war.
Leon war Pole, jedoch verschob sich nach dem Krieg die Grenze Polens nach Westen und somit seine Heimat und er wurde Teil der Ukraine wegen dieser Curzon-Linie. Und da er in deutscher Kriegsgefangenschaft war, war er den sowjetischen Behörden als Spion und Kollaborateur verdächtig. Die Kriegsgefangenschaft reichte also aus, damit er in der „neuen“ Heimat Sowjetunion einen schlechten Start hatte.
Leon berichtete, dass er viele Briefe an die Ahlborn geschrieben hatte, auch schon vor dem Fall des Eisernen Vorhangs. Die Zensur hat diese Briefe jedoch allesamt abgefangen, so dass erst die Kontaktaufnahme 1997 glückte.
Leon schrieb in einem späteren Brief, dass er sich noch einmal einen Besuch in Deutschland, in Wintermoor, wünscht. Er hat nach seinen Worten die beste Zeit seines Lebens hier verbracht: Paulina kennengelernt, gute Arbeit und gute Behandlung. Das Leben nach dem Krieg war ungleich härter für ihn.
Die Ahlborns beantworteten den Brief und sie besuchten sich. Sie brachten ihm ein Hemd mit – ebenfalls einer seiner „großen“ Wünsche. Als Leon starb, da wurde nach seinem letzten Willen etwas Wintermoorer Erde auf sein Grab gegeben.
Noch heute haben die Ahlborns guten Kontakt mit Leons Familie und seiner Tochter Halina. Sie besuchen sich gelegentlich.