Aus der frühen Geschichte Wintermoors, Teil 2 von Claus Stamann (Link zu: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5 und Teil 6 sowie zu anderen Beiträgen aus „Der Niedersachse„) mit freundlicher Erlaubnis des Autors vom 18.2.2018 im Archiv Wintermoor veröffentlicht.
Höhere Steuereinnahmen setzten in geschichtlicher Zeit häufig eine höhere Anzahl abgaben-, steuer- und dienstleistungspflichtiger Bauernhöfe voraus. Neue Höfe brachten der Staatskasse mehr Geld, gleichzeitig der wachsenden Bevölkerung auf dem Lande neue Existenzmöglichkeiten und bisher besitzlosen Häuslingen die Chance eines selbständigen Bauerndaseins auf eigenem Hof. Mit diesem Sachverhalt ist der zweite der genannten Umstände angesprochen, die die Entstehung der „Colonie Wintermoor“ bewirkt haben, die Siedlungspolitik der „Köiglich Hannoverschen Regierung“.
Neuansiedlungen waren dort möglich, wo zum Ackerbau, zur Großviehweide, mindestens aber zur Schafweide geeignete Flächen zur Verfügung standen, die weitere Familien ernähren konnten. Solche Bedingungen fanden sich im Wintermoor. Die Behörde sprach von einem „Flächengehalt … 4 Meilen im Umfange“. Diese Größe stand später jedoch nicht sicher fest. Es heißt in einem Schreiben der Vogtei Amelinghausen vom 1. April 1824: „… so viel ist jedoch wohl zu bestimmen, daß das Wintermoor circa von Haverbeck 2 Stunden, Ehrhorn 1 Stunde, Wehlen 1,5 Stunden … entfernt liegt.“
Das zuständige Amt Winsen ließ durch die untergeordnete Vogtei Amelinghausen zwei Siedlungsplätze festlegen. Deren Umfang wird in den Quellen mit je 50 Quadratruthen Haus- und Gartenplatz und mit je 5 Morgen Rottland zum Anbau angegeben (an anderer Stelle weichen die Angaben geringfügig von diesen Zahlen ab). Die Besetzung beider erfolgte im Jahre 1800. Besitzer wurden Brunkhorst und Dittmer, die sich bei der Vogtei als siedlungswillig erklärt hatten.
Der Hofgründer Brunkhorst behielt seine Neubauernstelle nicht lange. Er verkaufte sie an Franz Weseloh. Angaben über den genauen Zeitpunkt dieses Handels fehlen leider. Nach diesem Besitzwechsel bewirtschaftet die Familie Weseloh den Hof ununterbrochen bis in die Gegenwart hinein. Heutiger Besitzer ist Heinrich Weseloh.
Auf dem gleichzeitig kultivierten Nachbarhof Heinrich Dittmers – „Dippenshof“ – veränderte sich später durch weibliche Erbfolge und Einheirat der Besitzername. Der Zeitpunkt der Stellenübernahme durch Nachfolger Meyer ist aber nicht bekannt.
Wie so vielen Bauernhöfe in der Heide nach den bäuerlichen Ablösungsreformen des vergangenen Jahrhunderts, ereilte auch dem Dippenshof ein ungünstiges Schicksal. Er wurde zu einem Gegenstand kaufmännischer Spekulation. Eng mit diesem Vorgang verbunden ist der Name des Zwischenbesitzers Allmeling. Allein aus der Absicht der damals sog. „Vereinzelung“ heraus (Aufteilung und Verkauf des Hofes in kleinen Parzellen mit hoher Gewinnerwartung) soll dieser den Erwerb vorgenommen haben.
Im Jahr 1898 kaufte Georg Harms den Neubauernhof bzw. dessen verbliebenen Rest. Nachfolgebesitzerin wurde dessen Tochter, verheiratet mit Bernhard Bleeken. Im Jahr 1938 wiederum übernahm deren Tochter Ella Oltmanns, geb. Bleeken, den Hof. Sie übertrug das Eigentum 1973 ihrem Sohn und heutigen Besitzer, Bernhard Oltmanns.
Die Napoleonchaussee, die gemeinsame Arbeit der Entwässerung, des Wegebaus und die Mühe jedes einzelnen der Neubauern um die Begründung seiner bäuerlichen Existenz haben die Geschichte der „Colonie“ in ihren ersten Jahrzehnten geprägt. Wegaufseher Havemann (1794), Meilenwärter Wiehe (1809), Chausseeinspektor Kothe (1816) und Einnehmer Menke (um 1820) siedelten sich an, weil sie an der Fernwegeverbindung ihren Arbeitsplatz fanden und den Unterhalt verdienten. Die Ansetzung Brunkhorsts und Dittmers (1800) erfolgte vor allem in der Erwartung einer dauerhaften Existenz zweier Familien auf eigenem Hof und weiterer leistungsfähiger Steuerzahler. Aber auch für die Menschen dieser beiden Höfe hatte der vorüberführende Weg nach Harburg größere Bedeutung. Sie verdienten dort Geld, indem sie sich als Tagelöhner verdingten.
Die Herkunft des Namens Wintermoor ist natürlich nicht bekannt. Heinrich Bleeken und Heinrich Weseloh berichten von einer Überlieferung, die die Entstehung des Namens erklärt. Danach ist Wintermoor früher stets als eine große weiße Fläche erschienen. Vom Hansahlener Berg aus war dies Wunder besonders gut zu beobachten. Im Winter bedeckte weißlicher Reif oder Schnee die Moorlandschaft. Im zeitigen Sommer blühte das Wollgras. Der Boden überzog sich dann mit dessen schönen samtweißen und wollschopfartigen Fruchtstand. Auch in dieser Jahreszeit erschien das Land wie mit einem gebleichten Laken überdeckt. So hat das Moor immer wie eine Winterlandschaft, eben wie ein Moor im Winter, ausgesehen.
Zuweilen war früher zu hören, kein Sommer in Wintermoor sei vergangen, in dem es nicht starke Nachtfröste gegeben habe. Damit wurde ausgesagt, in diesem Moor sei eigentlich ständig Winter und deshalb heiße es Wintermoor.
Wolfgang Steinborn gab mir kurze Zeilen und einen kleinen Literaturauszug, die ich hier einfüge: „Erklärung für Wintermoor? Winterhorn (-horn = Berg oder spitzes Geländestück, das hornartig ausläuft) althochdeutsch ‚winni – Viehweide‘, gotisch ‚winja – Weide, Futter'“. In: Matthies, Gustav: Sprachlich-sachliche Flurnamendeutung auf volkskundlicher Grundlage, Hildesheim und Leipzig 1936.