Auch wenn die kommunale Zugehörigkeit von Wintermoor an der Chaussee mehrfach gewechselt hat, so sind in den vergangenen 200 Jahren die östlichen Grenzen des Kirchspiels Schneverdingen ziemlich unverändert geblieben.
Schon im Mittelalter, also auch zur Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung Schneverdingens im Jahre 1231, haben die Verdener Bischöfe das kirchliche Regiment über den Kirchendistrikt Rotenburg inne und damit auch über das Gebiet wwischen den Quellgründen von Este, Seeve und Wümme bis Barrl hin. Alle Siedler in jenem Gebiet gehören demnach seit 1794 zur Kirchengemeinde Schneverdingen, die wiederum dem Kirchenkreis Rotenburg untersteht.
Die Wintermoorer haben etwa 150 Jahre lang den Gottesdienst ausschließlich in der Peter und Pauls-Kirche besuchen können. Der Weg zum Konfirmandenunterricht war lang und beschwerlich. Das änderte sich erst allmählich in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts.
Nach den schweren Bombardierungen Hamburgs im Sommer 1943 kommt es zum Bau des Krankenhauses im Ehrhorner Wald und als Folge davon zur Suche einer geeigneten und würdigen Beerdigungsstätte für die Kriegs- und Bombenopfer. Bürgermeister Karl Menke lud am 28.2.1943 in das Hotel Heidehof ein, um über eine Friedhofsgründung und die Friedhofskasse zu beschließen. Menke wollte die Gemeindekasse nicht belasten und man einigte sich auf einen Schlüssel 2/5 zu 3/5, wobei die Stadt Hamburg als Trägerin des Krankenhauses den größeren Kostenanteil (veranschlagt waren 8000 RM) tragen sollte.
Heinrich Christoph Weseloh (1883–1963) schließt mit der Gemeinde Ehrhorn 1944 einen Kaufvertrag über 770 RM ab. Der ursprünglich 2 ha große Friedhof wird auf Initiative der Gesundheitsbehörde Hamburg 1947 mit einer ersten Kapelle versehen. In den Innenraum mit runder Decke wird ein von Martin Ebeling sen. geschnitzter Balken gehängt, auf dessen Vorder- bzw. Rückseite Verse aus Psalm 90 zu lesen sind:
„Herr Gott, Du bist unsere Zuflucht für und für.“
„Herr, lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen.“
Pastor Heyken und der Kirchenvorstand Schneverdingen beschließen 1967 den Abriß dieser Friedhofskapelle und den Neubau einer modernen, den stilistischen Ansprüchen der 60er Jahre genügenden, kleinen Kirche. Nachdem die bunten Glasfenster aus Frankreich in den Bau eingefügt worden sind, wird die Weihe 1968 in einem Festgottesdienst vorgenommen. Ein schlanker spitzer Turm ist weithin sichtbar, auf dessen Spitze ein goldenes Kreuz und eine Krone prangen. In den 70er Jahren schafft Pastor Heringslack das barocke Crucifix aus Würzburg an.
Schon bald nach Kriegsende erhält Wintermoor einen eigenen Seelsorger: Für das damalige Hamburger Krankenhaus und für die Ortschaft Wintermoor ist Pastor Rohrbach zuständig. Im Herbst 1959 kommt die ehemalige Vechtaer Gefängnispastorin Margarete Daasch in die Gemeinde. Von 1961–1973 wohnt sie in dem von Pastor Heyken konzipierten und zusammen mit dem Ehepaar August und Marie Oetjen gebauten Pfarrhaus am Waldrand in der Gemarkung „Weißes Moor“/Ehrhorn. Frau Pastorin Daasch ist die erste ordinierte Frau der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover und gründet 1941 das Frauenwerk dieser Landeskirche.
Als außergewöhnliche und starke Persönlichkeit wird sie Seelsorgerin im Krankenhaus, Pastorin der Sozial-Schwachen, Predigerin und Katechetin in Wintermoor. Viele Gemeindemitglieder in jener Nachkriegszeit halten sich zu Gemeinde und Gottesdienst, so daß Pastorin Daasch in der Wintermoorer Kapelle pro Monat zwei Gottesdienste zu halten hat.
„Gott hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, daß durch uns viele Menschen die Herrlichkeit Gottes erkennen.“
(2. Kor. 4,6: Ordinations- und Lebensmotto von Pastorin Daasch, verst. 29. 12. 1993)
Der Konfirmandenunterricht findet im Pfarrhaus in kleinen Gruppen statt.
1973 setzt Frau Pastorin Johanne de Wall (vierte Pfarrstelle der Gemeinde und Krankenhausseelsorge, geboren am 2.9.1937 in Mittegroßefehn, ab 1985 Pastorin in Bad Rothenfelde) die Arbeit in bewährter, herzlicher und fröhlicher Weise fort. Allerdings vergrößert sich der Pfarrbezirk mehr und mehr in Richtung Schneverdingen. Hinzu kommen die Ortschaften Geversdorf, Insel und Wesseloh. 1985 folgt ein Pfarrwechsel: Pastor Manfred Thies (1/4 fünfte Pfarrstelle der Kirchengemeinde, 3/4 Krankenhausseelsorge) wird Seelsorger der ENDO-Klinik; 1993 (1990 laut Schrift 250 Jahre Kirchengemeinde Peter und Paul) übernimmt dieses Amt Pastorin Birgit Dalby (geboren am 11.8.1959). Peter Steinmeier (geboren am 18.2.1942) übernahm die fünfte Pfarrstelle ab 1992. So berichtet zumindest die Festschrift 250 Jahre Kirchengemeinde Peter und Paul.
Für den Ort Wintermoor und für den nunmehr als Pfarrbezirk Nord bezeichneten Bereich des Kirchspiels Schneverdingen (vierte Pfarrstelle) ist seit 1985 Pastor Heiner Wajemann zuständig, der auf Wunsch etlicher Wintermoorerinnen 1987 den kirchlichen Frauenkreis Wintermoor gründet. Viele ehren- und nebenamtliche MitarbeiterInnen haben in den vergangenen Jahrzehnten, nicht zuletzt die beiden Kirchenvorsteher Albert Bleeken und Norbert Linke, viel Gutes für das kirchliche Leben in Wintermoor gewirkt.
Unserem Gemeinwesen und Zusammenleben im Ort wünsche ich im Namen des Kirchenvorstandes Schneverdingen das Erahnen göttlicher Führung und den Segen unseres Gottes:
Ihr Heiner Wajemann, Pastor
Beitrag aus „200 Jahre Colonie Wintermoor„, 1994; Seite 37-38; mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Heiner Wajemann (14.1.2017) und Ergänzungen vom Archivbetreiber (März 2020) in kursiv.
1976 wurde Wintermoor als 5. Pfarrstelle von Schneverdingen begründet. In der Vergangenheit gab es nur wenig Wechsel bei der Zugehörigkeit der Einwohner zum Kirchspiel Schneverdingen. Im Landesarchiv Niedersachsen gibt es dazu ein paar Unterlagen, dazu kann man mehr im Beitrag über die Einpfarrung lesen.
Pastor Rohrbach wohnte im Hotel Heidehof. Er starb bei einem Verkehrsunfall, als er am Fahrbahnrand der B3 von einem Auto angefahren wurde.
Es gibt eine nette Anekdote über seine Zeit im Heidehof, erzählt von Hans Slonka: Abends aß er immer im Gasthaus und trank dazu ein Malzbier. Eines Tages jedoch gab es kein Malzbier. Die Bedienung wollte den Pastor aber nicht enttäuschen und schenkte Rohrbach, der sonst keinen Alkohol trank, ein Bockbier ein. Rohrbach aß und trank und ging dann gut gelaunt zu Bett. Am nächsten Abend fragte er die Bedienung, ob sie ihm wieder dieses andere, wohlschmeckende Malzbier bringen könne.
Pastor Rohrbach führte Konfirmantenunterricht durch. Auf ihn folgte Fräulein Heinz (aus Schneverdingen?).
Dr. Harms Cordes betreut Wintermoor im Jahr 2021.
Friedhof
Die ersten Gespräche zur Friedhofauflassung wurden auf Einladung vom Bürgermeister Menke zwanzig Tage nach Krankenhauseröffnung, am 28.02.1943, geführt. Menke sah keine Einwände gegen einen Friedhof, wollte jedoch die Gemeindekasse nicht belasten und schlug vor, dass 3/5 der Kosten bei Einrichtung und Betrieb (immerhin geschätzte 7000 RM) von der Stadt Hamburg zu tragen seien.
Die Gemeinde Ehrhorn kaufte den anfangs etwa 2 Hektar großen Friedhof von der Familie Weseloh. Der eigentliche Kaufvertrag über den Kaufpreis von 770 RM datierte allerdings auf 1944.
Gleichwohl erfolgten schon im Jahr 1943 Bestattungen und auch die Jahreszahl der Eröffnung am alten Eingangstor links und recht deuten auf 1943 hin. Am 25.03.1944 wird ein Vertrag zwischen der Gemeinde Ehrhorn und der Stadt Hamburg über die Einrichtung und den Betrieb des Friedhofes geschlossen, in dessen § 5 das Hamburgische Krankenhaus das Recht erhält, „die beiden südlich der Ost-West-Achse liegenden Geländeviertel zu belegen, und zwar für die Dauer der Bewirtschaftung des Krankenhauses durch die Hansestadt Hamburg.“ (Wajemann 2019:61)
Vom Ehrhorner Heuweg geht eine unbenannte Straße schnurgerade zum Friedhof ab, die über den Grund von den Heinrich Bleekens ging (Die offizielle Anschrift ist Fasanenweg 99, für den westlichen Nebeneingang).
Die Anlage gliedert sich in vier Bereiche. Teil A befindet sich vom Eingangsportal gesehen rechts vorne (Nordost), Teil B links vorne (Südwest). Dahinter befinden sich der Teil C (rechter Hand, Nordost) und links zum Nebeneingang am Fasanenweg der Teil D (Nordwest). es gab jedoch „Exklaven“: Teil B war für Verstorbene aus dem Krankenhaus reserviert, nicht-deutsche Tote sind aber in den östlich liegenden Teil B2 beerdigt worden (auch nach dem Krieg noch, bspw. Displaced Persons DP). Das Ehrenmal für Gefallene wird manchmal auch als Teil D bezeichnet. Direkt neben der Kapelle befindet sich das Gräberfeld A1 mit zwei Grabreihen: hier liegen namentlich bekannte Menschen beerdigt, die im Krankenhaus verstarben. Im Teil B1 bzw. B4 (Ecke Nordost) waren die sog. Russengräber mit allierten Soldaten (tw. aus abgestürtzten Fliegern) sowie zwei sowjetischen Staatsangehörigen, die beim Bau des Krankenhauses gestorben waren.
PDF mit dem Plan und Namen von Grabanlage 1.
Das Ehrenmal für die Gefallenen und die Anlage für die KZ-Toten befinden sich im Teil A, die Toten aus dem Krankenhaus liegen in Teil B. Der Teil C bzw A1 enthält die Gräber der deutschen und ausländischen Soldaten, Krankenhaustote sowie Doppelplätze und Reihengräber aus der späteren (zivilen) Zeit. Teil D sind Wahlgräber aus der Nachkriegszeit. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge hat eine leicht abweichende Aufstellung im Internet. Dort läuft der Teil B als Teil A1 und umfasst ca. 480 unbekannte und 20 namentlich bekannte Hamburger Bombenopfer, die im Krankenhaus verstarben. Westlich schließt der heutige Urnenwald an. Mehr zum Thema findet man unter: Kriegstote.
Der Teil B für die im Krankenhaus verstorbenen Menschen war wahrscheinlich nach Westen hin größer als angenommen. Eventuell liegen einige Gräber auch unter dem erst später angelegtem Parkplatz nach Osten. Bei Arbeiten dort am neuen Urnenfeld sind einige Absenkungen aufgefallen und es gab auffällige Steine, mindestens einer mit einer Inschrift.
Karin Meyer berichtete 2021: „Egon Manke erzählte mal, dass er vermute, dass unter dem Parkplatz des Friedhofes auch noch Gräber seien. Er war kleiner Junge und Nachbar des Kuhlengräbers Terkorn (später Balster). An manchen Tagen soll der Terkorn 7-8 Leichen bestattet haben und die Jungs haben zugeguckt. Wenn noch eine Hand unter dem Leichentuch hervorgeguckt hat, hat Terkon diese genommen und den Kindern damit zugewunken. Demnach sind die Toten warscheinlich gar nicht mal in Särgen bestattet worden.“
2015 wurden Teile der Friedhofsanlagen erneuert und es wurde ein neues Tor aus Metall erstellt. Die alten Findlinge auf den beiden Torsäulen (mit den Jahreszahlen 19 und 43 links und rechts) stehen nun direkt vor der Kapelle. Seitdem weist ferner ein Gedenkstein auf die Massenbestattung aus dem Krankenhausbetrieb hin.
Auf unserem Friedhof gibt es 229 Grabstätten mit Nutzungsrechten (Stand 25. Januar 2017, Auskunft der Friedhofsverwaltung Stadt Schneverdingen).
Ab Frühjahr 2019 sind Baumbestattungen möglich, wofür eine Basalt-Stele als Gedenkstein steht. Eine Granit-Stele soll ferner auf der Fläche für Rasen-Erdbestattungen aufgestellt werden.
Siehe auch:
Aus der Böhme-Zeitung vom Donnerstag, 22. Oktober 2015:
Zehn Bäume auf Grabfeld beseitigt
Zu einer Gemeinschaftsaktion trafen sich die Dorfgemeinschaften aus Wintermoor-Geversdorf und Wintermoor an der Chaussee. Die Ortsvorsteherinnen Hendrikje Köster und Karin Meyer hatten dazu aufgerufen um auf dem anonymen Grabfeld für die anonymen Bestattungen zehn Bäume zu beseitigen. Marius Meyer, Torsten Köster und Matthias Borchert waren für die Arbeit mit der Kettensäge zuständig. Weitere 15 Helfer kümmerten sich darum, das Buschwerk auf dem Parkplatz stapeln. Eine andere Gruppe entfernte eine Heckenzeile von aufgegebenen Gräbern am Hauptweg zur Kapelle. Zum Abschluss dieses erfolgreichen Arbeitseinsatzes wurde bei herrlichem Wetter gegrillt. Die Stubben sind im Auftrag der Stadt Schneverdingen von einem ortsansässigen Forstunternehmen gefräst worden.
Softlink 762134 Autor: Snijders Marcel, Karin Meyer. Hier als PDF: 20151022_Screenshot Böhmezeitung – Zehn Bäume auf Grabfeld beseitigt – Friedhof Wintermoor – 762134
Im Landesarchiv Niedersachsen liegen Unterlagen zum Bau der Kapelle 1968-69 (Baubuch, Rechnungen) unter der Signatur LkAH, E 09, Nr. 1809 und 1806 ab. Unterlagen zum Pfarrhaus gibt es ab 1961 unter der Signatur LkAH, E 09, Nr. 1742. Krankenhausseelsorge in der Endo-Klinik Wintermoor, u. a. Beauftragung von Margarete Daasch, findet man 1949 bis 1963 unter Signatur: LkAH, L 5g, Nr. 0778. Umbau und Neubau der Friedhofskapelle gibt es von 1965 – 1970 unter LkAH, S 04a, Nr. 2845.
Hi 🙂 is anyone could help me ? My great grandfather Nikolaus Straszak (sometimes called stracza, ors Straczak), prisoner of WW2, died in Ehrhorn hospital and than was buried in Wintermoor W1. Becasue of covid I can’t go ther and find him. Can anyone check if he is there?
Hi Wioleta,
yes, he is there. Found his name today. If you like, I can also send you a picture I took there.
Best regards
Sonja
Hi,
we solved the miracle. A text about Mikolaj is published in the section https://archiv-wintermoor.de/allgemein/zwangsarbeit
Best
Torben