Gemeinde Wintermoor

Wintermoor (plattdeutsch: Wintemaur) ist ein Ortsteil der Stadt Schneverdingen und war bis 1974 eine eigenständige Gemeinde. Gebräuchlich ist der Ortsname Wintermoor-Geversdorf, um eine Verwechslung mit dem östlich liegenden Wintermoor an der Chaussee (a.d.Ch.) der Gemeinde Ehrhorn zu vermeiden.

Winter-Mohr als Bezeichnung für die Wümmeniederung wurde das erste Mal um 1580 im Ämteratlas des Fürstentums Lüneburg benutzt. Das Moor war im Frühjahr mit Wollgrasflöckchen bedeckt und bot vom Höpen aus einen winterlich-weißen Anblick. Hier gab es aber auch im Sommer noch sehr kalte Nächte, weshalb der Begriff Winter daher stammen könnte. So entstand wahrscheinlich unser Ortsname.

Lage der ehemaligen Gemeinde Wintermoor in Schneverdingen. Grafik von Wikipedia First Admiral CC-SA-3.0
Lage der ehemaligen Gemeinde Wintermoor in Schneverdingen. Grafik von Wikipedia, User First Admiral, Lizenz CC-SA-3.0
Skizze zur Generalteilung Wintermoor-Geversdorf um 1857
Skizze zur Generalteilung Wintermoor-Geversdorf um 1857

200 JAHRE DORFSCHAFT WINTERMOOR

Das Gebiet der Wümmeniederung, das zwischen den Ämtern Winsen a. d. Luhe und Rotenburg eine Ausdehnung von fast einer Quadratmeile hat, wird schon im Ämteratlas des Fürstentums Lüneburg um 1580 als Winter-Mohr bezeichnet. Am Ende des 18. Jahrhunderts, etwa um 1790, war man aufgrund der Bevölkerungsstruktur im hiesigen Bereich (zuviele Häuslinge auf den wenigen Bauernhöfen) bestrebt, möglichst viele Neubauerstellen zu schaffen. Hier boten sich in erster Linie natürlich die noch nicht erschlossenen Moorgebiete an.

So auch das Wintermoor. Der Name entstand wahrscheinlich, weil es hier sehr frühe und auch lang anhaltende Nachtfröste mit Rauhreif gab, während im Frühsommer das Moor, soweit das Auge blickte, mit Wollgrasflöckchen bedeckt war. Diese Moorlandschaft wird von der Wümme durchtrennt. Das Flüßchen markiert in diesem Bereich die Grenze zwischen dem Herzogtum Verden und dem Fürstentum Lüneburg. Auf Lüneburger Seite wurde vom Amt Winsen, Vogtei Amelinghausen, ab 1794 an der großen Chaussee, heute Bundesstraße 3, die „Colonie Wintermoor“ gegründet.

Auf Verdener Seite, hier war das Amt Rotenburg mit seiner Vogtei Schneverdingen zuständig, wurde ab 1797 mit der Besiedelung in der Nähe des Hauenstein begonnen. Dieser, des öfteren genannte, Hauenstein ist leider verschwunden. Über den ehemaligen Standort gibt es aber recht gute Angaben. Der Stein stand an dem Punkt, an dem Zu damaliger Zeit die Ämter Winsen, Harburg und Rotenburg aneinander grenzten. Heute verläuft hier, am Urbett der Wümme, die Grenze zwischen den Orten Schneverdingen und Tostedt sowie den Landkreisen Soltau-Fallingbostel und Harburg. Hier querte auch nach alten Überlieferungen ein Post- und Handelsweg die Wümme. Er führte von Harburg kommend über Nienburg nach Amsterdam. Dieses ausgedehnte Moor- und Heidegebiet wurde bis dahin von den umliegenden Bauernschaften als Weidegrund für ihr Vieh genutzt. So war es verständlich, daß man sich gegen die Ansiedlung der ersten Neubauern wehrte. Uns liegen einige Briefe aus damaliger Zeit vor. Am 11. bzw. 12. Januar 1797 schrieb der Schneverdinger Amtsvogt Baring folgende Briefe an den Oberamtmann Hintze des Amts Rotenburg:

Die Häuslinge Hans Riebesehl, Hans Jürgen Baden, Christoph Gevers und Hinrich Versemann zu Insel, welche sich letzhin zum Anbau im Wintermoore in der Gegend vom Hauenstein gemeldet hatten, suchten die Ausweisung der Haus-Plätze nach, damit sie boy eintretendem Thauwetter gleich die Bearbeitung derselben vornehmen mögten, indem sie sich überzeugt hielten, daß von Seiten der Interessenten kein Widerspruch eingelegt werden würde, und wenn auch dieser etwa erfolgte, sie nach untersuchter Sache sich rechtlicher Entscheidung unterwerfen wollten. Da nun Königl. hohe Cammer die Cultur jener großen öden Gegend beliebte, so ward Tagefarth zur Ausweisung auf Heute anberaumet, und denen Weide-Interessenten zu Hansahlen, Höpen, Barl und Reinschlen – davon Nachricht – auch anheim gegeben, wenn sie wollten, dabey gegenwärtig zu seyn. Als man sich nun an Ort und Stelle eingefunden hatte, waren vorbesagte Häuslinge da, von jenen Interessenten aber keiner erschienen. Worauf – Salva tamen ratificatione Camcra Regiae – Jedem der Impetranten zu Haus und Garten 1 Caleb. Morgen (2620, 92 qm) ausgewiesen – auch vorläufig der Raum zwischen diesen Plätzen und dem alten Postwege von Schneverdingen nach Welle zum Saat-Lande bestimmt wurde.

Ich beharre in größester Hochachtung
Schneverdingen, d. 11ten Januar 1797

PP Um endlich einmal die so längst gewünschte Cultur in der großen Wintermoorwildnis anzufangen, erlaube ich’s mir, den Interessenten algemach bey Gelegenheit als ausgemacht glaubhaft zu machen, daß Königl. Cammer bey der immer mehr und mehr anwachsenden Menge hiesiger Häuslinge schlechterdings darauf bestehe, so wol das Winter- als Harlemoor (Horst) bebauen zu lassen; und gleichwie die Fintler und Weseloher – ihres Widerspruchs ohngeachtet – schon 3 Neubauer ohnlängst hätten annehmen müssen, also würden auch mit Hansahlen pp keine Umstände gemacht werden – und so dann Gestern die Ausweisung von 4 Neubauer-Stellen dort vorzunehmen. Wenn auf weitere Nachfrage Ew. Wolgeboren mir kein Dementi geben, befürchte ich jetzt fast gar nicht mehr, daß eine Associetät gegen diesen Anbau zu Stande komme. Zwar kennen der Herr Oberamtmann die Gegend hinlänglich. Doch lege ich ein Croüillon bey wenn Dieselben etwa die Tage des Anbaues selbst zu ändern belieben mögeten. Daher ist denn auch die roth markirte Fläche unverhältnißmässig groß angegeben, welche sonst nach dem Maaßstabe nur ein Punct in dem vorliegenden grossen Raume bezeichnen dürfte. Schneverdingen d 12ten Jan: 1797

Baring

N.S. Heute erschien einer der beiden Einwohner zu Reinsehlen, Jochen Tödter, und gab zu vernehmen: Er wäre von der gestriegen Ausweisung im Wintermoore nichts gewahr geworden. Diesen Anbau könne er so wol noch nicht zugeben. Worauf er den Bescheid erhielt, seine Contradiction am 19ten d. M. vor Königl. Amte sub praejudico an und aus zu führen. Als man Ihm so dann noch vorstellete, daß dem Vernehmen nach, die Einwohner zu Hansahlen, Höpen, und Barrl – von der Nutzbarkeit dieser Colonie für die grosse noch immer zunehmende Volksmenge dieses Kirchspiels auf einer, und der Unschädlichkeit für die Theilhaber dieser unfruchtbaren Gegend auf der anderen Seite völlig überzeugt – ihre Einwendungen aufgegeben hätten, sein einseitiger Widerspruch aber um so mehr auffalle, da Er bekanntlich fremdes Vieh in die Weide zunähme; erklärte sich derselbe: Er wolle denjenigen Einwohnern im Amte Winsen, welche dort die Mithude hätten, von dem vorhaben, den Anbaue Nachricht geben. Beruhigten sich diese, wäre Er gleichfalls davon zufrieden.

Ich beharre wie im Bericht.
Schneverdingen d 12ten Jan: 1797
Baring

Die Widersprüche und Drohungen der Weideinteressenten hatten schon mehrere Versuche, das Wintermoor zu besiedeln, scheitern lassen, und auch jetzt war es nicht anders. Am 14. März schreibt Baring:

Christoph Gevers wird sein Haus im Wintermoor Morgen – Hans Jürgen Baden aber in der Osterwoche vorrichten; die anderen beiden eilen auch sehr damit. Hoffentlich stehen vor Ende dieses Monats alle 4 Häuser. Hans Riebesehls Anbau stünde längst; aber es fehlt ihm, wie ich merke, am Besten. Er quält mich, Ew. Wolgeb. um Vorschuß zu bitten.

Alle Verhinderungsversuche der Weide-Interessenten scheiterten bis hin zum Königlichen Ober-Appellations-Gericht, und am 11. Juli 1797 wurden 4 Neubauern die Meyer-Briefe ausgestellt. Den Anbauern im Wintermoor wurden auch gewisse Starthilfen von Seiten der Obrigkeit gewährt. Üblicherweise mußten die Siedler acht Jahre nach Erhalt ihres Meyerbriefes die geforderten Abgaben entrichten. Hier wurden die Abgaben für die ersten 12 Jahre erlassen. Nach den bereits genannten Siedlern folgten dann weitere Bauern, die ihr Glück in Wintermoor-Geversdorf, benannt nach einem der ersten Siedler, versuchten. An der 1857 abgeschlossenen Wintermoor-Geversdorfer Gemeinheitsteilung, wo jeder Hofstelle etwa 200 Morgen zugeteilt wurden, nahmen 11 Höfe teil. Darüber hinaus wurden um 1860 schon 15 Häuslinge mit ihren Familien gezählt. Wahrscheinlich angezogen durch die Geversdorfer Siedlung im Wintermoor, wurden auch in der näheren Umgebung neue Hofstellen errichtet.

Im vergangenen Jahrhundert haben im Hansahlener, Barrler, Reinsehlener und Höpener Wintermoor noch ca. 18 weitere Neubauern gesiedelt. Um deren politische Zugehörigkeit gab es jahrelange Diskussionen. Es sprach vieles dafür, sie der Gemeinde Wintermoor zuzulegen. Auch war es im Gespräch, eine eigene Gemeinde zu gründen. Schließlich wurden sie per Verfügung, zusammen mit dem Vollhof Höpen, im April 1863 der Gemeinde Insel zugeordnet.

Gründungsdokument von Geversdorf - aus Chronik 200 Jahre Wintermoor-Geversdorf
Gründungsdokument von Geversdorf – aus Chronik 200 Jahre Wintermoor-Geversdorf

Zitiert aus: 200 Jahre Wintermoor-Geversdorf, 1997; Seiten 8-9.


Einwohnerentwicklung

  • 1823/24: 4+9 Feuerstellen (=Höfe) (Quelle: Statistisches Handbuch des Königreichs Hannover; Seite 672)
  • 1853: 136 Einwohner (19 Feuerstellen (=Höfe), (Quelle: Statistische Uebersicht der Eintheilung des Königreichs Hannover nach Verwaltungs- und Gerichts-Bezirken in Folge der neuen Organisation der Verwaltung und Justiz; Heinrich Ringklib; Seite 53))
  • 1865: 150 Einwohner (25 Feuerstellen) (Quelle: P. Brünjes, zitiert in Jubiläumsschrift 250 Jahre Kirchengemeinde Peter & Paul)
  • 1910: 138 Einwohner (Quelle: Gemeindeverzeichnis)
  • 1925: 117 Einwohner (Quelle: Verwaltungsgeschichte)
  • 1933: 128 Einwohner (Quelle: Verwaltungsgeschichte)
  • 1939: 138 Einwohner (Quelle: Verwaltungsgeschichte)
  • 1945: 317 Einwohner, davon 186 Ostflüchtlinge und Bombengeschädigte
  • 1971: 237 Einwohner
  • 1974: 247 Einwohner
  • 2016: 424 Einwohner
https://books.google.de/books?id=Q-Y-AAAAcAAJ&dq=winter-Moor&hl=de&pg=PA53&ci=79%2C232%2C880%2C685&source=bookclip
https://books.google.de/books?id=Q-Y-AAAAcAAJ&dq=winter-Moor&hl=de&pg=PA53&ci=79%2C232%2C880%2C685&source=bookclip

Bürgermeister / Ortsvorsteher

  • Georg Meyer (30er und 40er Jahre)
  • Otto Kohrs
  • Heinrich Oetjen „Riepenhein“
  • Siegfried Riebesell-Baden (Bürgermeister von ????, von 1974 bis ???? Ortsvorsteher)
  • Edwin Litz
  • Uta Gottwald
  • Rainer Inselmann
  • Dennis Niebuhr
  • Hendrikje Köster

Sonstiges

Die Postleitzahl ist heute 29640 (Schneverdingen) und war früher 3040. Die Ortsvorwahl für das Telefon lautet 05198.

1852 bis 1858 wurden die Flächen von Wintermoor neu aufgeteilt, dazu gibt es im Landesarchiv Niedersachsen unter der Signatur NLA HA, Hann. 74 Soltau, Nr. 1341 Unterlagen. Unter der Signatur NLA HA, Hann. 74 Soltau, Nr. 970 liegt ein Situationsplan aus der Zeit von 1797 unter dem Titel Höfesache ab.

Anfangs ab es keine Straßennamen und die Häuser trugen die Nummern in Reihenfolge, wie sie gebaut wurde.

Der Schreiber der Schulchronik beurteilt die Bewohner von Wintermoor-Geversdorf als „ungefälliger und streitsüchtiger“ als die anderen Ortsteile des Schulgemeinde („Der Niedersachse“, Nr. 11/1993, Seite 2).

In einer alten Böhme-Zeitung stand geschrieben:

„Die Zahlen der Hausnummern können auch nichts über die Reihenfolge der Siedler sagen, denn sie sollen erst mit der Verkoppelung in den sechziger Jahren festgelegt worden sein. Heute ist Wintermoor ein „Fadendorf“, wie Dohrmanns Mutter es nennt. Das soll bedeuten, es liegt in langer dünnen Reihe an der alten ungepflasterten Dorfstraße entlang: Nr. 1 Oetjen (mit dem Hofnamen Riepenbur), Nr. 2 Vorwerk (Hofname fehlt), Nr. 3 Dohrmann (Hofname fehlt), Nr. 4 parzelliert, später mit Nr. 1 getauscht (alter Name: Sapen-Schröder), Nr. 5 Dohrmann (alter Hofname: Schniederbur), Nr. 6 Rieken (Badenbur), Nr. 7 Meyer (Geversbur), Nr. 8 Riebesel (Burvagt), 52 Jahre war der Bürgermeisterposten auf dieser Stelle, Nr. 9 Georg Meyer (Romakersbur), Nr. 10 Heinr. Meyer (Meyersbur), von diesem Hof sind alle Meyer im Dorfe gekommen, Nr. 11 Ruschmeyer (Buschjohann).“ (genaue Quelle leider nicht überliefert)


Karte von Wikipedia mit Lizenz CC-BY-SA First Admiral
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